Brandenburg und das Phänomen der gescheiterten Großprojekte in dieser Region, deren sozialgeschichtlicher und gesellschaftspolitischer Kontext ist Ausgangspunkt für das “Modell ‘Verpaßte Gelegenheit’ - Symptome der Überforderung”. Gigantische Großprojekte um keine Gelegenheiten zu verpassen, um im großen Stil Phantasmatisches zu realisieren? Diese Mechanismen des “jede Gelegenheit nützen müssens“ beinhalten gerade durch den gesellschaftspolitisch ausgeübten Druck nach Realisierung, die Option und die Definition des Verpassens.
Wie geht man mit Sozialisationsgeschichten, Veränderungen, Desastern oder anderen Überforderungen um? Symptome der Orientierungslosigkeit, eines “Verloren-Seins” - ein Phänomen im momentanen Überangebot der Möglichkeiten? Imaginierte Sehnsuchtsmodelle, die auf Phänomenen der Vergangenheit, auf verlorenen Identitätsgeschichten, oder auf einem Zustand des Nicht-Wissen “Wie-oder-Was” basieren. Verpaßte Gelegenheiten werden als solche ja erst in dem Moment erkannt in dem es sozusagen zu spät ist, in dem Sehnsucht akut werden kann, Verlust oder Mangel bewußt wird oder Distanz einen differenzierteren Blickwinkel ermöglicht. Oder ist es nicht auch ein Alltags-Phänomen: Entscheidungsüberforderungen, die auf einem Überfluß des scheinbar Möglichen basieren?
Exemplarisch für die gescheiterten Großprojekte Brandenburgs wird das Cargo Lifter Projekt als Modell einer verpaßten Gelegenheit präsentiert, das innerhalb eines Systems verpaßter Gelegenheiten positioniert wird. Wiedervereintes Deutschland, symbolisiert durch das Phänomen Cargo Lifter, und EU-europäische Reformideologiepragmatik repräsentieren den gesellschaftspolitischen Kontext der verpaßten Gelegenheiten. Gesellschaftspolitische Zusammenhänge, aber auch der subjektiv private Bereich verpaßter Gelegenheiten, Sehnsüchte nach dem imaginären besseren Anderen oder Möglichen, und deren Folgewirkungen in Bezug auf alltägliche Konditionierungen sollen durchforscht werden. Handelt es sich um Symptome der Überforderung, vorprogrammierte Unmöglichkeiten, um Flucht ins Imaginäre, oder politisches Kalkül?Oder werden verpaßte Gelegenheiten als Resümee des momentanen “So-Seins” mit der Option des “Anders-Sein-Wollens”kombiniert?
Ausgehend von dem konkreten Beispiel Cargo Lifter wird dieses gescheiterte Großprojekt innerhalb soziologischer, gesellschaftspolitischer und subjektiver verpaßter Gelegenheits-Modelle positioniert und in folgende Bezugssysteme integriert: Cargo-Lifter - Identity-Shifter; verpaßte Gelegenheiten, made in Germany; verpaßte Gelegenheitsprogramme; Symptome der Überforderung; “Missing” - Subjektive Mangelmodelle.
Das Cargo Lifter Projekt als Identitäts-Modell des Unmöglichen? War das Cargo Lifter Projekt eines der wenigen Modelle, das als gesamtdeutsche Identitätsmöglichkeit und Projektionsfläche funktionieren hätte können?
Der Cargo Lifter als ein partizipatorisches Projekt, in das 70.000 Kleinaktionäre die Erwartung setzten ein soziales und ein ökonomisches Feld etablieren zu können. Ist somit der Cargo Lifter nicht ein Symbol des gescheiterten Versuchs der “verpaßten Gelegenheit eines anderen Deutschlands?” - im Sinne einer Formulierung von Slavoj Zizek: “Und ist nicht die wahre Ursache der Ostalgie (der Nostalgie nach der kommunistischen Vergangenheit) unter vielen Intellektuellen in der ehemaligen DDR auch die Sehnsucht - nicht so sehr nach der kommunistischen Vergangenheit und dem, was sich effektiv unter dem Kommunismus abspielte, als nach dem, was sich dort hätte abspielen können, nach der verpaßten Gelegenheit eines anderen Deutschland?1
Das Cargo Lifter Projekt, speziell das Phänomen der 70.000 Kleinaktionäre wird durch 3 in Auftrag gegebene neue Arbeiten (Silvia Beck, Shahram Entekhabi, Judith Siegmund) thematisiert. Mittels differenzierter künstlerischer Ansatzpunkte und Fragestellungen wird versucht, sich dem gesellschaftlichen Kontext sowie sozialen und subjektiven Beweggründen einiger Aktionäre exemplarisch anzunähern. Sind Aktionäre TeilhaberInnen von Gelegenheiten, um keine zu verpassen - welcher Habitus, persönliche und gesellschaftliche Haltungen, Erwartungen, Vorstellungsbilder etc. werden da transportiert, in: beeing an Aktionär. Oder ist der Cargo Lifter eine Neuauflage des Repräsentationssymbols Zeppelin, ein nationales Symbol, ein einheitsverkörperndes Identifikationsobjekt/-projekt? War die Zeit nach der Wende und eine Region im ehemaligen Osten Voraussetzung für die Euphorie und den Glauben an die wirtschaftliche Umsetzungsmöglichkeit dieses romantischen Großprojektes?
Diese Cargo-Lifter-Arbeiten werden mit künstlerischen Positionen konfrontiert - die sich mit Überforderungssymptomen und verpaßten Gelegenheiten made in Germany und mit subjektiven und reformideologischen verpaßten Gelegenheits-Modellen befassen. Die Positionierung des Cargo Lifter Projekts in der nächst näheren größeren territorialen Region verpaßter Gelegenheiten, Deutschland, liegt nahe. Neben diesem Schwerpunkt ist jedoch eine Kombination mit verpaßten Gelegenheitsmodellen intendiert, gerade im subjektiven oder auch im reformideologischen Bereich, die das konkrete Beispiel Cargo Lifter in einen umfassenderen Kontext stellen, da es sich um ein generelles Phänomen handelt. Mehrere Blickwinkel auf das Modell verpaßte Gelegenheiten werden installiert, um sich dessen Vielschichtigkeit innerhalb sozialer Felder und gesellschaftlicher Kontexte anzunähern.
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1 Slavoj Zizek, Die Revolution steht bevor. Dreizehn Versuche über Lenin, Frankfurt/Main, 2002, S.84/P>
Verpaßte Gelegenheitsfelder.
Cargo-Lifter - Identity-Shifter
Verpaßte Gelegenheiten, made in Germany
Verpaßte Gelegenheits-Programme
Symptome der Überforderung
"Missing" - Subjektive Mangelmodelle